Ein Leben mit und für den Sport - Langstrecken-Ass Herbert Ehlen ein Siebziger

Herbert Ehlen, 2006 in Aachen (Foto: Heinz Reifferscheid)
Herbert Ehlen, 2006 in Aachen (Foto: Heinz Reifferscheid)

Dollendorf/Jünkerath. Wer waren die erfolgreichsten Seniorensportler in der LG Vulkaneifel? Spontan fallen mir da zwei Namen ein: Nämlich Peter Udelhoven (Jahrgang 1944),  vielfacher Deutscher Seniorenmeister, 1989 Europameister M 45 über 400 m Hürden sowie „Vize“ über 110 m Hürden -   und natürlich auch Herbert Ehlen aus dem Blankenheimer Ortsteil Dollendorf. Der ehemalige Sportlehrer an der Graf Salentin Schule  war über eine lange Zeit auf den Langstrecken bis hin zum Marathon mit großem Erfolg unterwegs. Am 13. Mai 2021 kann er Geburtstag feiern, er wird Siebzig.

 

Ob er denn nun aber wirklich feiert? Eher wird er den Tag zu einer um die 100 km langen Radrundfahrt durch die Eifel nutzen. Damit hält er sich heute am liebsten fit. Und Laufen? Eigentlich nur noch, weil er oft mit Mara unterwegs ist. Mara ist der Familienhund, genauer eine  2-jährige Jagdhündin mit ganz viel Bewegungsdrang. Sie wartet schon morgens ungeduldig auf den täglichen Auslauf mit Herbert. Das werden dann auch schon mal gut 20 Kilometer. Rund um Dollendorf, vorzugsweise im Lampertstal, dem attraktiven  Naturschutzgebiet ganz in der Nähe. Ein Tag ohne sportliche Bewegung, das war und ist für Herbert schon immer ein verlorener Tag.

Als „Spätberufener“ nahm Herberts Laufkarriere eigentlich erst in der Klasse M 30 richtig  Fahrt auf. Der VfL 09 Jünkerath feierte 1984 sein 75 jähriges Bestehen und den Auftakt zum Jubiläumsjahr bildete der aus diesem Anlass von mir und dem damaligen  Vorsitzenden Hans Hermann Findt ins Leben gerufene Obere-Kyll-Crosslauf.  Ehlens  „Einstieg“ ins Läuferleben. Daraus wurde dann der Eifel-Cup, ohne den der Obere-Kyll-Crosslauf kaum überlebt hätte. Eine überaus erfolgreiche Laufserie, als  deren Vater man Herbert Ehlen bezeichnen kann.

 

Meilensteine in Ehlens Läuferleben:
M 30                  Marathon           2.27.10 Stunden
M 35                  25 km                1.21.48 Stunden
M 40                  10000 m           31.31.25 min.       Halbmarathon     1.08.25 Stunden
M 45                  10 km               31.46.0  min.
M 55                  10000 m           33.30.80 min.       Halbmarathon     1.15.40 Stunden
                          Marathon          2.40.04 Stunden
M 60                  10000 m           36.19.8 min.           

 

Herberts Weg war ungewöhnlich, nämlich Einstieg beim Marathon hin zu kürzeren Distanzen. Bronze gewann Herbert 1996 bei den Europameisterschaften  in Malmö über 10.000 m Senioren M 45. Davon ist mir in Erinnerung geblieben, dass er beim Weg nach Schweden in einem Sessel auf der Fähre übernachtete und dann gleich nach absolviertem Lauf  die nächste Fähre nahm, um nach Hause zu schippern. Sparsamkeit pur. Oder: Zu Hause ist es doch am schönsten.
Bei seinem 7. Platz bei den Senioren-Weltmeisterschaften am 30.06.96  über 10 km Straße in Brügge machte er erst gar keine Spesen. Morgens beizeiten zur belgischen Nordseeküste aufgebrochen und nach dem Lauf gleich zurück in die Eifelheimat.  Herbert trug übrigens maßgeblich zu Bronze des Deutschen Teams bei. Seine Medaillen bei den „Deutschen“ wird er kaum zählen können. Aber nach 1996/97 mit  Siegen bei den DM im Cross, Halbmarathon und 10.000 m verschwand er plötzlich von der Bildfläche.  Um 2007 wie Phönix aus der Asche zurückzukehren. Mit Deutschen Meistertiteln  in der M 55: Halbmarathon, Marathon und schließlich über die Ultra-Strecke von 50 km. Damals unterbot er in Bottrop im Bereich um die  stillgelegten Zeche und heutige Halde Haniel die Jahresweltbestzeit über diese Distanz.  Mittlerweile waren fast alle Rheinland-Bestleistungen der Klassen M 55 und M 60 in seinem Besitz - Grund genug für eine neue Verschnaufpause.

Nicht zu vergessen, dass Herbert sein Leistungsniveau  einem vielschichtigen Trainingsaufbau zuschreibt.  Aquajogging und Schwimmen pflegte er eigentlich mehr als Laufen. Aber lange Touren mit dem Rennrad standen standen viele Jahre im Programm. Nach Rom führen bekanntlich viele Wege. Einmal machte er mir klar, dass er mich nie als seinen Trainer angesehen habe.  Er sei stets sein eigener gewesen, was  bei so einem ausgeprägten Autodidakten letztlich ja auch total o.k. war.  Aber ohne meinen motivierenden Einfluss, das ließ er mich auch einmal wissen,  hätte es seine Läuferkarriere kaum gegeben. Das klang schon fast wie ein Lob. Ach ja, fast hätte ich es vergessen:  Herberts Ehefrau Ilse „ertrug“ die zeitaufwendigen Hobbys ihres Mannes über all die Jahre mit ganz viel Geduld.

 

Ein Langstreckenläufer wird Zirkusdirektor

Stand Herberts Sinn mal nicht aufs Laufen,  ruhte er trotzdem nicht. So machte er sich einen Namen als „Zirkusdirektor“. Über viele Jahre hinweg hatte er Schüler/ innen der Jünkerather Graf Salentin Schule  für sein Projekt „Zirkus Salentin“ begeistert, die zu kleinen Artisten wurden und auch überregional große Auftritte hatten. Zum Beispiel bei einem Rheinland-Pfalz-Tag. Das vorerst letzte große Projekt war für das Geburtstagskind im Verbund mit Klaus Klaeren (ebenfalls aus der LGV hervorgegangen und seit vielen Jahren Geschäftsführer der Akademie des Europäischen Sports in Rheinland-Pfalz) die „Fair Play Tour“, bei der jährlich rund 300 junge Leute mit ihren Rädern eine Woche lang durch Eifel, Belgien und Luxemburg touren.  Täglich um 100 km. Angefangen von der Tour-Verpflegung und den Übernachtungen in Turnhallen, das waren  enorme logistische Herausforderungen.  Nach langer Zeit erstmals fiel die „Tour de Europe“ 2020 aus, dem Corona-Virus zum Opfer. Leider wird es aller Wahrscheinlichkeit 2021 nicht anders sein.

Bei allen seinen Einsätzen standen bei Herbert Ehlen  im Hintergrund meist Hilfsprojekte für die Dritte Welt. Über 2,5 Millionen Euro kamen bisher zusammen. Sei es für Schul- oder Brunnenbauten  in Ruanda oder andere Initiativen der Welthungerhilfe, die ihm hohe Ehrungen zuteil werden ließ. Vielleicht ist das frühzeitige Aus für die „Tour de Europe 2021“. Hoch keimt Hoffnung, dass die „Tour“ vom 10.-17.07. trotz Corona gefahren werden kann. Wenn nicht, könnte das  Anlass für Herbert sein, noch einmal die Laufschuhe auch für den Wettkampf zu schnüren? In der neuen Altersklasse. Als M Siebziger. Denn irgendwann werden die Corona-Wolken vorbeigezogen sein.

 

 

Heinz Reifferscheid